Zusammen mit meiner weitverzweigten schwarzen und weißen Verwandtschaft in den USA freue ich mich sehr über die bewegende und ermutigende Amtseinführung von Joe Biden, die ich aufmerksam am
Bildschirm verfolgt habe. Ich habe meine Ohren gespitzt, als ein Jesuitenpater das Eröffnungsgebet sprach. Er stellte sich als Schüler von Peter Delp vor. Ich bin zu Beginn meines religiösen
Pilgerwegs mit 20 Jahre katholisch geworden. Der Jesuit, der mich damals in die Kirche aufnahm, war Pater Bolkovac, der mit Delp zusammen über fünf Jahre im KZ gelitten und später dessen geheime
Notizen herausgegeben hat. Er hat mich damals zu geistlichen Übungen anhand von Delps Meditationen eingeladen.
Joe Bidens Geburtsstadt Wilmington, die in diesen Tagen immer wieder in den TV-Programmen gezeigt wurde, kenne ich aus eigener Anschauung. In meiner Reportage aus dem anderen Amerika, "Die
Muttermilchpumpe", 1980 erschienen, habe ich der Stadt ein eigenes Kapitel gewidmet. Im Frühjahr 1979 habe ich in Wilmington an einer Kundgebung für die Freilassung der Wilmington 10, der Zehn
aus Wilmington, teilgenommen, bei der Angela Davis die Hauptrede gehalten hat und ich ein paar Grußworte im Namen meiner deutschen Genossen gesprochen habe. Es handelt sich um zehn
Bürgerrechtskämpfer aus der Stadt, die 1972 zu insgesamt 282 Jahre Zuchthaus und Gefängnis verurteilt wurden, unter ihnen Ben Chavis, einer der bekanntesten Aktivisten der schwarzen
Bürgerrechtsbewegung. Die Proteste, die von der Allianz gegen rassistische und politische Unterdrückung getragen und schließlich weltweit unterstützt wurden, hatten schließlich Erfolg. Die
Urteile wurden nach und nach aufgehoben, weil die Hauptbelastungszeugen ihre Aussagen widerrufen haben. Leider fehlte in der deutschen Berichterstattung dieses traurige Beispiel aus der
amerikanischen Rassenjustiz. Aber Joe Biden hat daraus gewiss seine Lehren gezogen.
Peter Schütt